Jahresausgabe 1999:
Dylan
von Rolf Haaser
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dylans flirt mit rimbaud
etwas dunkles
heraufschwappendes
springt dich an
wie ein leopardenmensch
mit eisenklauen
kneift dir die finger und zehen ab
wie ein riesiger salzwasserkrebs
packt dich am hoden
hängt dich hoch hinauf
an den mastbaum
und schnappt deinen saft aus der luft
wie ein fickriger hund
Dylans Penisbruch
"Alles fickt oder wartet auf Regen!"
Das waren die ersten Worte, die ich aus Dylans Mund vernahm. Vorher
wußte ich nicht einmal, daß er überhaupt sprechen
konnte. Jetzt warf er mir fast beiläufig die Worte vor die
Füße, mit der Selbstverständlichkeit eines hünenhaften
Indianerhäuptlings, der sich für einen ihm hingehaltenen
Kaugummi bedankt.
"Wie meinst du das?" fragte ich, nachdem ich mich einigermaßen
darüber beruhigt hatte, daß mein Begleiter sprechen konnte.
"Ev'rybody's makin' love or else expecting rain!" versetzte
er, und ich hatte das Gefühl, daß ich verstanden hatte.
"Aber sie hoffen nicht auf Regen, im Gegenteil, sie fürchten,
daß er kommt."
In der fraglichen Nacht vom 20. auf den 21. Juni 1999, zwischen
dem Stumpertenroder Mühlenfest und dem Rimloser Bäckertrogrennen,
wimmelte und gockelte es im gesamten Vogelsberger Land. Kaum einer
machte ein Auge zu. Alles blickte in den Himmel hinauf und flehte
in Bittprozessionen ohne Zahl, er möge die Wolken abziehen
und den großen Regen nicht herabschicken, der die Gebirgshänge
unterspült, der die Ackerkrume abreißt bis hinunter zum
kalten Basalt, der die Bäche zum Anschwellen bringt und Dorfanger
wie Stadtäcker überschwemmt. Wer einen Esel besaß,
jagte ihn aus dem Stall und zwang ihn mit allerlei Tricks, sich
auf den nachtfeuchten Wiesen zu wälzen, hufoben, denn ein alter
Bauernglaube besagte, daß dadurch das drohende Wetter abgewendet
werden könne.
Auch Dylan sollte sich in dieser Nacht noch auf einer feuchten
Wiese wälzen; das war allerdings später, nach dem Gewitter,
und zwar mit der schönen Suze Rotolo, mit der er eine Stunde
lang die verrücktesten und ausgefallensten Sexualpraktiken
durchprobierte. Das Ergebnis war, daß er sich in seinem potenten
Eselschwengel einen satten Penisbruch zuzog und sich das ansehnliche
Fortpflanzungswerkzeug in ein verschrumpeltes, blutunterlaufenes
Etwas verwandelte.
Wenig später, noch in derselben Nacht, beging er Selbstmord,
indem er sich in einen aufgelassenen, durch Wassereinbruch zerstörten
Bergwerksstollen stürzte.
Dylans Tod
Seine Glieder werden schwer, der ganze Körper wird zu Stein.
Ein schreckliches Kämpfen wütet im Inneren seines steinernen
Körpers, ohne daß er sich bewegen kann. Dann kommt ein
Ersticken, und er ist noch einmal da, losgerungen aus dem steinernen
Tod. Er denkt, das ist die Seele, sie wird fliegen, aber er fällt,
fällt mit entsetzlicher Geschwindigkeit durch einen Schacht,
der ausgemauert ist. Er versucht sich zu halten und gleitet ab,
dann hört der Schacht auf, es kommt lockere, aufgewirbelte
Erde. Er versucht, sich schwer zu machen, irgendwo Halt zu finden,
aber er gleitet hindurch, als wäre er ein Rauch. Zugleich aber
ist er wie ein Kriechtier, das sich durchwühlt, ein Wurm, der
durch Windungen kriecht, ein Käfer, der durch Ritzen fällt,
und alles geht unaufhörlich und grauenvoll schnell. - Er wird
immer kleiner und weniger, schließlich ist er fast nicht mehr,
nur wie eine winzige Luftblase ist er noch da, und dann der Augenblick,
wo er die Auflösung fühlt, wo er weiß: nun bist
du nicht mehr da.
Asphodillen für Dylan
Hier ruht in Unfrieden
dylan the donkey
Sattsam assibiliert seine Sätze
Umfriedet
Die Höhle hohl the hole
the hell on the whole
Der Arsch und das As
Und das Aas und the ass
Sein Leben zu lesen von Eseln
in A.SS. Acta Sanctorum
quotquot toto orbe
Asphyxie heißt Pulslosigkeit
Er aß Füchse heißt er starb an Erstickung
Asphodelen sind Affodillen
Weiße Blüten der Totenblume
Gediehen auf Sumpftriften und Riedwiesen
Auf hingestreuten Affodillenwiesen
Wandeln hingemäht
die Schatten der Unterwelt
Hingeschneit zur Blütezeit
Aus dem verkrusteten Arsch der Erde
fließt heiß und glühend wie die körperliche
Liebe
Judenpech mit Wasser vermischt
Und erkaltet kurz nach dem Austritt
zu einem Meer aus geronnenem Asphalt
einst klebten dylan bunte vogelfedern
am geteerten Kopf und am feingesponnenen Panamahut
das war als er mit Freunden
für einen Nachmittag das Eselsreservat besuchte
das war im selben jahrtausend
als der selbstunterfertigte goethe
als steifes sprachrohr des deutschen untertanengeistes
ins gewand braver böhmischer bäuerinnen schlüpfte
seinen wunderpinsel in die eulogien reinsten wassers tauchte
und seine lyrischen trompetenstöße
in eine tagdunkle welt hinausschmetterte
und seine sprachlichen bücklinge bis zum boden
unterwürfig zum mildgestimmten himmel emporpathetisierte
schmückt euch alle windet kränze
footpedal boom - crash
wir wollen zum wiener kongreß
mal keine wälzer wälzen
stattdessen erstmals einen walzer wagen
uns wiegen in violen
und dreivierteltakttriolen
footpedal boom - crash
der letzte walzer kommt hernach
bestimmt
und früh genug
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