Vom Werfen mit (elektronischen) Rosen. Oder: Vom Brief zum SMS.

von Nikola Herweg

 

„Ich wollte lieber mit Rosen nach Ihnen werfen, als ihnen schreiben ...“, versicherte Friedrich Gottlieb Klopstock am 5.6.1751 in einem Brief an Meta Moller, und schrieb ihr dennoch immer wieder. Die Angesprochene säuselte zurück „O Sie sind mein süsser Klopstock“. Das ging so fort, bis die beiden sich verlobten, heirateten und hörte auch danach nicht auf, erst als der Tod sie schied (was leider schon bald der Fall war). Eine Liebe in Briefen mit einem kuriosen Beginn: Die junge Meta las (auf dem Abort sitzend) den Messias (1748-1773), Klopstocks umstrittenes Epos (welches man hier zu Toilettenpapier umfunktioniert hatte), entflammte spontan für Werk und Autor, schrieb jenem, was nun wiederum ihn entflammen ließ usw.
Ja, so war es, das 18. Jahrhundert, voller Liebesgeschichten in Briefform, fiktiver wie realer, und dazu gespickt mit jeder Menge Freundschaftskult. Ein Brief war es auch, der im August 1794 die Freundschaft und Zusammenarbeit Schillers und Goethes einleitete.
Das 19. Jahrhundert stand seinem Vorgänger übrigens in nichts nach, auch hier Briefe, die Lebensbünde und -freundschaften begründeten oder aber beim ersten persönlichen Zusammentreffen zu einer Enttäuschung führten.
Das 18. und 19. Jahrhundert als die Jahrhunderte des subjektiven, persönlichen Briefes sind Vergangenheit; die meisten heute geschriebenen Briefe dürften wohl geschäftlicher Art sein, und die Verfasser der wenigen persönlichen Schreiben wünschen sicher nicht, dass ihre Zeilen im Freundeskreis herumgereicht oder gar im Salon vorgetragen werden.
Dennoch, scheint mir, erlebt der Briefkult eine Art Renaissance: Letztens war ich auf eine Hochzeit geladen. Die Wurzel des freudigen Ereignisses lag im Internet. Via Chat hatten sie, als Hamlet, und er, als Orphelia, sich kennengelernt. Erst wurde im „öffentlichen“ Raum getalkt, später auf e-mail umgestiegen, und noch vor dem ersten Sehen war der Funke übergesprungen - ganz klassisch.
Dies ist nicht die einzige Internetliebe von Bestand. Andere wiederum zerrinnen in den Datenhighways, aber alle haben sie gemein mit den Briefbekanntschaften vergangener Jahrhunderte, dass man sich in ihnen lösen kann von räumlichen Zwängen und Rollenmustern - so wie meine Bekannten oder wie Dorothea Veit und Friedrich Schlegel 200 Jahre zuvor.
Vieles hat sich aber auch geändert, die Sprache zum Beispiel: im elektronischen Medium schreibt man schnell, im Umgangston, auf Form wird wenig Wert gelegt. Das war - wenn man von einigen Schreibern (wie etwa Christiane von Goethe) absieht, in den stilisierten Briefen der Briefblütezeit anders. Auch sind die heutigen Zeugnisse wachsender Freundschaft oder Liebe vergänglich, wer protokolliert schon einen Chat im Internet oder druckt seine e-mails aus?
Alles geht nun schneller und während der Briefkult sich etliche Jahrzehnte hielt, kommt das Chatten bereits wieder aus der Mode. Der SMS ist da, Handys in jedermanns Hand und schon sind auch die „Clubs“ geschaffen, in denen man fremde SMSler kennen lernen kann. Da das Tippen auf den Mobiltelephonen umständlich ist und das Display so klein, begnügt man sich mit Halbsätzen, Stichworten. Dafür gibt es nun Icons: ein einziger Klick, und schon hat man ein Herz verschickt oder eine Rose geworfen. Klopstock wäre begeistert.