Es ist egal wo du traurig bist

von Hans-Jürgen Hilbig

 

„Die Nacht blickt auf die Stadt wie ein verworfenes Experiment“

Christian Schäl

 

Es war ein dunkler Samstagabend. Der Mond deckte sich mit Wolken ein und jeder dachte, es gäbe irgendein Ereignis. In einem Zug saß Elke und sah traurig aus dem Fenster. Es regnete und sie war nicht dafür angezogen, wenn sie dafür angezogen wäre ACH! Was hätte ihr das ausgemacht, gar nichts, braucht man gar nicht drüber zu reden. Aber so! Oder wenn sie verliebt gewesen wäre und ihr Schatz stände am Bahnhof und würde mit den Augen wackeln, da hätte sie sich sogar gefreut über die Regentropfen. Die Luft flau wie im Käfig. Elke faßte sich ins Haar und suchte ihre Lieblingslocke. Draußen glitzerten die Regentropfen, 1,2,3,4 und mehr Regentropfen, viel mehr Regentropfen, wahrscheinlich kann man sie gar nicht zählen.
Man sollte alle Fragen dieser Welt in einen Karton stecken, es müßte ein großer Karton sein, auf keinen Fall durchsichtig, nicht daß man von Betrug redet. Dann zieht jemand, vielleicht ich oder weiß nicht, wen es da noch gibt, vielleicht ein Schaffner oder ein Held, irgendein Held von einer Serie, die es noch nicht gibt, aber der Held ist schon da, es ist egal, was er tut, das ist wirklich nicht wichtig, also dieser Held zieht dann eine Frage und er liest sie vor und wir müssen sie beantworten und wir haben ganz viel Zeit dafür, ein ganzes Leben lang.

Elke blickt aus dem Zugfenster, die Nacht reist mit ihr, sie sehnen sich beide danach anzukommen. Wieviel Uhr es wohl ist? Elke guckt immer noch aus dem Fenster, wie das aussieht, romantisch fast, aber romantisch kann auch sehr peinlich sein, vor allem wenn man es nicht erlebt, sondern aufschreibt. Weiß man denn, wenn etwas romantisch ist? Wie ist etwas romantisch? Ein Meer abends mit Sonne, das ist romantisch oder ein Hund der etwas sucht nein das ist nicht romantisch. Schweißperlen können romantisch sein oder Romane. Romane können sehr romantisch sein.
»In der Stadt ist heute was los«, hat Julia gesagt, die zwei wohnen zusammen. Elke hat das nicht geglaubt, »in der Stadt ist nur was los, wenn die Geschäfte auf sind«, hat Elke augenzwinkernd gesagt. Endlich ist die Stadt da, kein Mensch weiß wie sie plötzlich aufgetaucht ist, auf einmal war sie da, komisch, Städte verschwinden genauso wie sie auftauchen, plötzlich sind sie da und plötzlich sind sie weg …
Elke steigt aus und plötzlich hörte es auf zu regnen. Bahnpolizisten gucken auf die Schienen, Hunde bellen, jemand erzählt einen Witz, »gehen zwei junge Mäuse abends spazieren, da flattert hoch über ihnen eine Fledermaus,« sagt die eine Maus, »wenn ich groß bin, werde ich auch Pilot.«

Ein Dichter kann ein guter Verkäufer sein, aber nur um halb eins und nur an bestimmten Tagen, eigentlich kann ein Dichter nichts, nicht mal Krokodile einfangen. Vielleicht eine Ausnahme, HEMINGWAY, Hemingway hat vielleicht ein Krokodil gefangen, aber was hat er mit ihm gemacht? Was essen Dichter eigentlich? Hm gar nichts, eigentlich müssen Dichter hungern, das ist nun mal Gesetz, alles andere geht ja auch gar nicht, ein Dichter, der mit Geldscheinen um sich wirft, völlig unrealistisch.
Elke sehnt sich nach Kaffee, nach Ruhe, nach lieben Augen. Die Nacht sehnt sich bestimmt auch nach Kaffee, Ruhe und lieben Augen. Augen sind genügend da. Soviel Augen hat Gießen noch nie gesehen. Ja, es ist viel los in Gießen. Ein seltsames Phänomen, das bislang nur anderen Städten vorbehalten schien: Rom, Paris, London …
Blaulichter, Imbißbuden, Massen, die mal Menschen waren, Menschen, die sich ausweisen können, Menschen die sich nicht ausweisen können … Elke gähnt, sie hat ihre Müdigkeit entdeckt. Aber als sie die Massen betrachtet, wird sie ein bißchen wacher. Bei so vielen Menschen möchte man auch keine Taube sein und schon gar keine Verkäuferin. Nicht mal Kassiererin möchte man sein bei so vielen Menschen. Warum treffen sich so viele Menschen an einem Ort? Warum treffen sich Menschen überhaupt? Die zweite Frage ist dumm, jeder will irgendwen treffen, das ist klar, deshalb gibt es auch Orte. Manchmal nennt man sie Kneipe, manchmal Café, manchmal Bistro, dort sitzen Menschen und gucken und warten, warten und bestellen, bestellen dies und jenes, Getränke eben und manchmal lügen sie auch, lügen oder reden über Menschen, die lügen und lügen dann auch, weil es die Wahrheit nur in Comics gibt.
Jemand spricht Elke an. Julia ist das nicht. Es ist ein Mann, er trägt seinen Hut spazieren. »Unglaublich, was hier los ist.« sagt der Mann. Elke nickt. »Hätten Sie vielleicht Lust auf einen Kaffee?« Sie nickt. Der Mann hat keine Lippen, das fällt ihr sofort auf. Es ist Mitternacht, aber der Gag soll sein, daß es Mittag ist. Mittags waren die Geschäfte früher immer geschlossen, denkt irgendwer. Die Kaufhäuser sind aber geöffnet. Nebenbei Kunst, Kunst kann man nicht mitnehmen. Tragetaschen schon. Eine Nacht gehört eigentlich immer nur Zweien. Aber heute ist das anders, heute ist alles anderes. Die Geschäfte sind auf. Kaffee ist jetzt auch da, von irgendwo schwupp Kaffee. Elke sitzt an einer Treppe und der Mann mit dem Hut auch. »Ich kaufe uns eine Kaffeemaschine«, ruft er und ist schon wieder weg. »Was meint er mit uns«, fragt sich Elke und sie stellt sich einen Mann vor, der ihre gemeinsame Zukunft aufbaut und als erstes geht er los, um eine Kaffeemaschine zu kaufen.
Die Nacht ist das Werkzeug der Mützen. Büchner war ein Dichter und er trug gerne Mützen. Büchner studierte in Gießen. Dostojewski war nie in Gießen, das war nicht schlimm für ihn, er war trotzdem talentiert. Elke wartet. Wartet und wartet und weiß gar nicht warum, und weiß auch nicht, wozu sie wartet, aber sie wartet, ach wie süß sie wartet. Elke guckt den Mond an. Der hat Platz, ganz viel Platz, dort werden nicht einmal Teppiche ausgelegt. In dieser Nacht werden viele Eulen nach Athen getragen, und leichte Schatten tragen Bierkästen spazieren. Irgendwo verliert einer den Mut, im Kino ist immer alles so einfach. Die Luft geht spazieren. Elke sehnt sich nach etwas Luft. Sie friert, obwohl es gar nicht kalt ist, sie ist einfach zu dünn angezogen, aber das ist Unsinn, sie friert, weil niemand da ist, der sie wärmt. Niemand liest ihr ein Gedicht vor. Sie betrachtet die Menschen, guckt sich die Frisuren an, alles das sieht sehr modern aus und es sieht modern aus, weil es junge Menschen sind. Junge Menschen gehen gerne in der Masse unter und Luft ist ihnen auch nicht wichtig, dafür gibt es schließlich Pumpen. Elke seufzt schon wieder. Elke mag nicht mehr warten, worauf auch? Auf eine Kaffeemaschine? Auf Kaffeemaschinen wartet man nicht, diesen Satz sollte man in jedes Poesiealbum schreiben. Also steht sie auf und geht in einen Buchladen, gegenüber vom Kaufhaus, da gibt es viele Mücken, nein Bücher, ich wollte wirklich Bücher schreiben. Dort stellt man Fragen, »haben sie das Buch?« »Nein das haben wir nicht.« Dort guckt man sich Bücher an, ganz viele Bücher und alle rufen, rufen ganz laut, rufen in russisch aber deutsch übersetzt, rufen in französisch, deutsch übersetzt. Elke pfeift ein Lied, sie weiß nicht, woher es kam, auf einmal war es da und Julia war auch da, plötzlich wie auf einem Schiff, oder nicht auf einem Schiff, oder doch auf einem Schiff, auf einem, das gerade renoviert wird. Sie stand da und guckte sich ein Buch an. »Was liest du da?«, fragt Elke. »Beckett«, sagt Julia. Fragt, sagt, darüber kann man sich schon aufregen, weil es so langweilig ist, aber wenn man sich aufregt, ist es schon nicht mehr langweilig. Julia legt das Buch wieder zurück. »Warum?«, fragt Elke. »Zuviel Worte«, sagt Julia und ärgert sich ein wenig über diese Antwort, ihr wäre so gerne etwas Witziges eingefallen. »Vielleicht kaufst du es dir und liest es einfach nicht, das hätte Beckett gut gefallen.« Das stimmte, wenn man ein Buch nicht liest und trotzdem kauft, ist das ein wirkliches Ereignis.
»Hast du schon mal soviel Menschen gesehen?«, fragt Julia. Elke nickt, obwohl sie noch nie soviel Menschen gesehen hat. In Gießen ist für einen Tag alles anders. Blauhelmsoldaten sind keine da, warum nicht? Pssst, das wird ganz bestimmt nicht verraten. Im Kaufhaus wird nach Ärzten gerufen. »Der Mensch steht im Mittelpunkt und damit im Weg,« hat ein wichtiger Mann gesagt, der wichtige Mann arbeitet bei einer Bank und kennt sich aus, der weiß, wo was langgeht, ist aber selber ein Mensch, pssst, bloß nicht verraten. Ein Tag wird umgekrempelt. Zeitenwende. Nacht ist Tag, Tag ist Nacht, wenn das der liebe Gott erfährt, dann regnet es noch öfter. »Wollen wir einen Kaffee trinken?«, fragt Julia. Es ist unmöglich, Kaffee zu trinken. Die Menschen überrennen ein Kaufhaus. Die Nacht ist nicht Tag, die Nacht ist ein Kaufhaus. Julia rennt trotzdem los. So ist sie eben, Immer da, wo es weh tut. Elke gähnt. Selbst die Bücher sind müde, Worte wie Einschlafmusik. Keine Panzer, keine Massendemonstrationen. Die Dichter in der Stadt schlafen ihren Rausch noch lange nicht aus, sie sitzen auf Stühlen und warten auf eine Idee. Sie betrachten einen Abfalleimer, aber der ist leer. Über leere Abfalleimer kann man wirklich nicht schreiben. Warum haben die jungen Frauen rote Bäckchen und warum gehen sie nicht zu ihrer Oma oder werfen die ganze Welt in den Rachen der Wölfe? Warum schlendern sie schweißgebadet durch die Nacht, tragen hohe Absätze, als hätten sie keine Füße.
Ein Morgen sehnt sich nach Geduld. Die jungen Mädchen, die ihren Augenblick suchen, tragen lange Wimpern, langes Haar, Augen, die noch nichts planen. Die Welt schmeckt für sie nach Lakritze oder nach einem Nichtabstiegsplatz. Und wer fühlt, ist noch lange nicht verloren und wer da ist, ist noch lange nicht verschwunden und niemand rennt über eine Brücke, wenn er eine Luftpumpe braucht …
Alles sind gescheitert, die Sozialisten, die Christen, die Polizisten. Und wie merkwürdig, es gibt sie noch und keiner ist erstaunt darüber. Die Luft ist raus, wo ist sie hin?
Alle sind jetzt müde, aber nur wenige schlafen, viel zu wenige.
Vielleicht schießt jemand auf Kanonen oder jemand singt, singt ein ganz altes Lied. Ameisen mögen keinen Streuselkuchen. Im Kaufhaus gegenüber fallen die Menschen um, immerhin das können sie noch.
Rabattmarken liegen auf dem Boden, dafür kann man Gläser kaufen, aber wenn sie am Boden liegen, kann man gar nichts damit anfangen. Elke will jetzt endlich etwas erleben. Sie schaut sich einen Wachmann an und sagt ›hallo‹. Der sagt aber nichts.

Ein Bosnier hatte Elke mal gefragt, ob sie fünf Mark wechseln kann. Komischerweise wußte Elke sofort, daß es ein Bosnier war. Als sie ihm erzählte, daß sie wußte, daß er ein Bosnier sei, grinste er kurz und sagte nichts mehr. Elke gefiel das und sie fragte ihn, woher er komme und er sagte aus Bosnien.
Elke überlegt. Die Stadt draußen ist hell und so unwirklich erscheint ihr das, was sie erlebt. Aber was erlebt sie eigentlich? Was ist ein Erlebnis? Immer wieder fragen. Pst, still, es ist Sonntag.
Elke guckt in den Himmel. Das ist eine Betrachtung, die man nicht übersehen kann. Es gibt keine Worte mehr, keine Zeit, keine Tauben, die sich über Musik beschweren. Aus Trotz bleiben die Menschen wach. Betrunkene glauben stets, sie sind nur im Suff zu ertragen. Und wenn man in so einer Nacht plötzlich aufs Klo muß und die Masse vor Augen hat, die vielleicht auch auf die Toilette muß? Elke macht sich auf den Weg. Sie hat noch etwas Zeit, sowas kann man spüren, aber man kann damit auch auf die Nase fallen. Ein Buch sollte ich kaufen, denkt sie und kauft sich ein Buch, eins, das sich reimt, mehr wird nicht verraten.
Julia ist weg, na klar, denkt Elke, und sie ahnt, daß Julia ganz weit weg ist, und sie weiß nicht, wo diese Entfernung ist und wie man es noch besser ausdrücken könnte. Beim Wort Ausdrücken fällt ihr das Müssen wieder ein. Aber überall diese Massen, mit glänzenden Augen wie Raupen, wenn sie ins Gras beißen. Hier beißt keiner ins Gras, aber das erfährt man erst am nächsten Tag. Irgendein Busch fällt ihr ein, aber das ist Unsinn, es hat doch geregnet. Irgendwo wird es schon was geben, eine Möglichkeit, das Leben ist so groß. Elke geht in der Masse unter. Sie spürt, daß es notwendiger wird, etwas zu finden. Das Leben ist so kurz. Vielleicht irgendwo klingeln, fragen, ob es ausnahmsweise mal möglich wäre. Das ist eine Idee. Sie schleppt sich in ein Haus. Sie betrachtet die Namensschilder. Klingelt bei Mayweg. Eine Frau öffnet. Sie schaut Elke an und fragt, ob sie etwas möchte? Elke findet diese Frage seltsam. »Auf die Toilette, schnell aus dem Weg.« Die Toilette war schnell zu finden. Jetzt sitzt sie da und liest ihr Buch. Ein gutes Buch, schön, es zu lesen, hier an diesem Ort, aber an jedem Ort wäre es schön zu lesen, dieses Buch. »Viele Augen schauen dich an, wie eine zukünftige Stille.« Das reimt sich zwar nicht, aber das ist egal, auf Toiletten sowieso. Die Frau klopft an der Türe, »ich heiße übrigens Nicki,« ruft sie. »Ich heiße Elke«, flüstert Elke. Hier möchte man sitzen und warten, bis alles wieder vergessen ist, bis die Massen weg sind und die Zeitungsreporter sich auf den Weg zu ihren Artikelchen machen. Sowas hat Gießen nicht erlebt. Ein schöner Satz, aber kein Mensch wird ihn schreiben. Schließlich steht sie doch auf. Nicki hat Kaffee gekocht, sie will sich unterhalten und Elke erscheint ihr dafür gut genug, und wenn sie ihr blöd kommt, kann sie immer noch fünfzig Pfennig für die Toilette verlangen. Elke wäre jetzt gerne eine Bosnierin gewesen, eine Bosnierin, die kein Deutsch versteht und wenn, dann nur das Wort »Schnaps«. Viele Menschen laufen nur durch die Stadt, um Selbstgespräche zu führen. Sie kommen in Bussen an und bereiten sich dort schon vor.
Elke und Nicki essen Salzstangen. Sie tun das ungezwungen. Sie haben Worte und Sätze miteinander gewechselt und sind sich immer noch fremd. Nicki ist vier Jahre jünger als Elke. Ihr Vater ist Gerichtsvollzieher und sie ist in einen Mann verliebt, der ihren Vater schon gesehen hatte noch ehe sie sich kennenlernten. Sie trafen sich im Botanischen Garten. Er zählte die Bänke und sie saß da und versperrte ihm den Weg mit jenem sehnsüchtigen Blick, den Frauen beherrschen ohne zu platzen. Später sahen sie sich bei Aldi, er kaufte Trockenobst und das fand sie irgendwie sehr erotisch. Gleich an der Kasse gestand er ihr, wieviel Schulden er habe, aber sie scherzte darüber. Menschen wie er waren wichtig, ohne sie wäre ihr Vater ohne Lohn und Brot, müßte Schulden machen und naja, das führt dann doch zu weit. Elke schlief ein. Sie mochte solche Geschichten, aber sie war einfach sehr müde.
Sie träumte von einem Holzhaus mitten unter einem Lawinengebiet. Drei französische Schriftsteller saßen an einem Tisch und sie kochte Kaffee. Ab und zu winkte sie einem der Drei zu, ohne daß die anderen es bemerkten. Die Drei fürchteten sich vor einer Lawine und redeten von nichts anderem. Mit einem spazierte Elke dann draußen in der fröstelnden Natur umher. Es lag aber kein Schnee, und das fand sie komisch, weil so alle Furcht völlig umsonst war. Der Schriftsteller starrte sie an, er konnte wohl Gedanken lesen und wollte gerade zu einer philosophischen Betrachtung ausholen, aber in diesem Moment wachte Elke auf und fand sich auf einer Couch wieder.
Sie steht auf und geht aus der Türe. Alles im Raum war ihr fremd vorgekommen und sie mag das nicht, aufzustehen und alles erscheint ihr im gleichen Moment fremd.
Ein paar Meter vor ihrem Zuhause bleibt sie stehen. Diese Stadt wird von der Luft geblendet.
Sie wird hochgezogen und ach so schnell wieder fallen gelassen. Warum läßt man sie nicht einfach so, wie sie ist. Sie verkriecht sich doch sowieso, wenn sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hat. Ein Mann läuft einem anderen Mann hinterher, er winkt seinen Namen, er kennt ihn aus der Zeitung. Der andere Mann bleibt stehen. Der Mann fängt an zu reden, eine Hand hält er in der Tasche und auf einmal brüllt er los, seine Batterien sind ausgelaufen.
Wie merkwürdig so ein Morgen ist. Die Massen sind verschwunden. Nur ein paar trunkene Liebespärchen beschwindeln die Zeit, hmm süßer Schwindel. Die Uhren bemerken nichts davon, der Himmel auch nicht, von den Schornsteinen gar nicht zu reden.
Was bleibt aber übrig von einer Nacht, in der einem nichts anderes übrigbleibt als ausgelassen und glücklich zu sein? Elke war weder ausgelassen noch glücklich. Der Atem funktionierte noch, und als sie zuhause in den Spiegel sehen konnte, sah sie ein Gesicht, das sie wirklich kannte. »Morgen verlaß ich die Stadt«, seufzte sie, weil sie wußte, daß solche Worte gut waren, wenn sie akrobatisch in die Luft sausten und Dinge suchten, die es in anderen Städten auch nicht gab, und irgendwie ist es vielleicht wirklich egal, wo du traurig bist.